Genanntem Lehrer und gutem Freund, der zu Besuch gewesen ist (siehe Blog-Eintrag vom 19.05.2025) erzählte ich von einer Begegnung, die bereits etwa zehn Jahre zurücklag und sich in meinem WG-Zimmer ereignete. Ich wachte eines Nachts auf und konnte mich weder bewegen noch atmen. Ich war wie gelähmt. Und ich wurde beobachtet von einem schwarzen Wesen, das an der Decke direkt über mir klebte. Ein Dämon!, dachte ich. Eine beängstigende Situation, insbesondere, wenn dir so etwas zum ersten Mal passiert (in der Zwischenzeit habe ich jemanden kennengelernt, der das sehr häufig passiert): Der Körper ist noch im Zustand des Schlafes, während das Hirn bereits ins Wachsein übergeht, jedoch irgendwie noch am Träumen ist. Die Psychologie nennt dieses Phänomen Schlafparalyse. Aber egal wie die Psychologie das nennt und wie sie es erklärt – es konnte mir nicht den Schrecken nehmen, den ich mit der Erinnerung an diesen grauenvollen Moment verbinde. Dieser löste sich damals nach einigen qualvollen Sekunden, als der Dämon plötzlich entschied, von der Decke auf mich zu springen … oder besser gesagt: in mich hinein. Im Moment, in dem der Dämon in meine Brust eindrang, löste sich die Lähmung, ich konnte wieder atmen und zog wie ein Ertrinkender, der aus dem Wasser gezogen wird, die Luft in meine Lungen. Danach stand ich zitternd auf und schaltete als erstes das Licht an. Keine Spur vom Dämon, zum Glück. Wobei, wie könnte ich ihn auch sehen, war er jetzt doch in mir! War ich nun besessen? Brauchte ich einen Exorzisten?

Die Recherche am nächsten Tag führte mich zu oben erwähnten wissenschaftlichen Erklärungen und damit zur Erkenntnis, dass ich wohl keinen Exorzismus über mich ergehen lassen brauchte. Jedoch: der Schreck sass und blieb sitzen.

 Als ich das meinem Freund und Lehrer erzählte, war seine Antwort mit einem leicht erstaunten, vor allem jedoch sehr erfreuten Lächeln: «Geil!»

 »Warum geil?«, fragte ich überrascht. Allen, denen ich bisher von dieser Begegnung mit einem Abgesandten der Hölle berichtet hatte, hatten die Abscheu gezeigt, die man selbstredend dabei empfinden muss.

 »Na …«, erwiderte er. »Wir leben in einer derart verdrehten Welt, in der uns der Teufel in Form von Engeln erscheint und wir die eigentlichen Lichtwesen nicht mehr als solche erkennen.«

 Dieser Wechsel des Blickwinkels war der eigentliche Exorzismus. Nicht, dass dieses Wesen an der Decke klebte und in mich hineinsprang, war das Unheimliche, sondern dass es mich für einen Moment verlassen hatte. Es war kein Eindringen in meinen Körper, sondern ein Zurückkehren. Erst, als es wieder in mir war, löste sich die Lähmung, konnte ich wieder atmen. Es war und ist meine Inspiration im ureigentlichen Sinne.

Diese Erkenntnis ist befreiend und erhellend in Bezug auf den Umgang mit vielen anderen vermeintlichen «Dämonen», denen wir begegnen. Dies meint also auch jene, denen wir uns im Training auf der Matte stellen, also schlussendlich uns selbst.

Seit diesem Gespräch (diesem quasi Exorzismus der einseitigen Perspektive) wird mir zunehmend bewusster, welche Qualität im Aikido liegt. Obwohl wir 10'000 Mal Shihonage, Iriminage oder Tai Sabaki machen, ist es doch jedes Mal neu. Nicht nur in den Nuancen der Ausführung, sondern auch neu im Erlebnis dieses Augenblicks – neu in der Erfahrung von Raum, sich selbst und dem Partner. Das umschliesst auch: jedes Mal neu im Sinne der Perspektive auf die Welt. Eigentlich ist Aikido genauso eine Studie der Bewegung wie eine von Blickwinkeln. Dies bewirkt eine Erweiterung des Horizonts und den Zugewinn von Erkenntnis und Wissen. Damit birgt jeder neue Blickwinkel, den wir einnehmen können, ein Stückchen Potential für Erkenntnis und damit vielleicht auch für (inneren) Frieden.